1955 erschien Siegfried Lenz‘ Kurzgeschichtensammlung „So zärtlich war Suleyken“, in der Begebenheiten aus einem masurischen Dorf erzählt werden. Der Band hat unser Interesse an den im Norden Polens gelegenen Masuren geweckt: Was wird wohl nach so vielen Jahren von der Dorfromantik aus den Kurzgeschichten noch übrig sein?
Aus Deutschland fährt man zunächst 1000km bis Warschau, die Bahnanreise ab Berlin ist unkompliziert. Uns überraschte eine Stadt mit moderner Architektur, einer rekonstruierten Altstadt und zahlreichen Hinweisen auf die Geschichte. Die Jugend bevölkerte die Stadt am Abend und Chopin lag in der Luft. Bänke im Zentrum Warschaus trugen eine Gravur zu Kunst und Geschichte, per Knopfdruck ertönten Chopin-Melodien! Bevor wir, 19 Personen in der Gruppe, mit dem Masuren-Shuttle gen Nordosten weiterreisten war das sonntägliche Freiluftkonzert im Łazienki-Park (Park der Bäder) ein Hochgenuss besonderer Art…12 und 14.00 Uhr jeweils 1 Stunde kostenfreies Open-Air.
Es folgten 12 Tage Radfahren, Paddeln und Wandern, Nordmasuren und Südmasuren kombiniert. Lötzen (GIZYKO), am Löwentinsee gelegen, stellte einen idealen Ausgangspunkt dar, um den schwach besiedelten Nordosten mit seinen unendlichen Waldgebieten zu erkunden. Pilze sind im September keine Seltenheit. Unser Wirt der „Radlerpension“ wandelte abends unsere 10kg Pilzbeute in eine üppige Portion Pilzpfanne um… Masuren heißt auch Wisente zu beobachten, was uns bei Wolisko gelang, und Flüsse mit dem Kanu zu befahren, die man zunächst als solche nicht erkennen kann: unglaublich, als unser Guide voran und direkt ins Schilf fuhr. Nach 15 Minuten Kampf durch das Dickicht entwickelte sich das Rinnsal zum Flüsschen, kaum 30 cm tief. Solche Kontraste und die Vielfalt der Möglichkeiten sind die einzigartige Herausforderung in den Masuren.
Entlang der Städtekette von Lözen bis Johannisburg (Pisz) gibt es wenig Interessantes zu sehen. Der Massentourismus lässt grüßen, Immobilienspekulanten versuchen ihr Glück. In einer geführten Radlergruppe gelingt dennoch der Blick hinter die Kulissen. Unbekannte Orte zeigen einen sehenswerten Stadtkern, Burgen und Kirchen sehenswerte Fassaden. Wer sich auf die Einheimischen einlässt, bemerkt überbordende Bauerngärten, einen Holzschnitzer am Wegesrand und einen kleinen Stand an der Straße … 5 Gläser Honig zum Verkauf.
Da kommt es zum Vorschein, dieses zärtliche Gefühl, welches Siegfried Lenz beschreibt: sich Zeit nehmen an einsamen Badestellen, pralle Himbeeren probieren und entlang unvollkommener Radwege durch sandige Abschnitte das Rad auch mal schieben.
Den zweiten Abschnitt in Südmasuren könnte man auch per Kabinenschiff erreichen oder einige Abschnitte per „Dampfer“ zurücklegen. Johannisburg (PISZ) mit Hotel am See, die Kanus lagen bereit. Eine durch eiszeitliche Moränen geprägte Landschaft strotzte nur so vor Natureindrücken. Flüsse mit hunderten Mäandern und mangrovenartigem Uferbewuchs, Gestüte und Landhäuser … Die Masuren mit eigenen Augen erleben, zu Fuss, per Rad oder Kanu…es lohnt sich. Womöglich finden Sie Ihr Dorf Suleyken … dann kommt es von selbst, das zärtliche Gefühl.
Gute Fahrt wünscht
Dieter Rosenbusch
T 0345-2100514